- griechische Sprache.
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Das Griechische ist die älteste überlieferte indogermanische Sprache Europas und daher für die Rekonstruktion der indogermanischen Grundsprache besonders wichtig. Die altgriechische Sprache ist durch literarische Überlieferung seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. (Homer) bekannt. Noch älter sind Aufzeichnungen in Silbenschrift (»Linear B«), die besonders in den Palastarchiven von Knossos (wohl aus der Zeit nach 1400 v. Chr.) auf Kreta und in Pylos (Ende 13. Jahrhundert v. Chr.) auf der Peloponnes gefunden und 1952 von M. Ventris als Griechisch (Mykenisch) entziffert wurden. Fast unverändert blieben im Griechischen (bis zum Durchdringen des Itazismus, der Aussprache von altgriechischem langem e - Eta - als i) die indogermanische Vokale erhalten. Ganz oder weitgehend schwanden oder wurden verändert: s, j und Digamma, was zum Entstehen neuer Konsonanten oder Vokale führen konnte. Im Wortschatz zeigen sich Einflüsse aus den Sprachen der vorgriechischen Bewohner des ägäischen Raumes, besonders bei den Namen von Göttern (Athene), Städten (Korinth), Bergen (Parnass), Flüssen, Pflanzen und Gegenständen der Zivilisation, ferner aus Sprachen Kleinasiens sowie aus dem Phönikischen und später dem Lateinischen. Das System der Flexionsformen ist gegenüber dem Indogermanischen einerseits vereinfacht (nur fünf anstelle von acht Kasus), andererseits durch Neubildungen (z. B. das Passiv) bereichert. Altertümliche, ebenfalls differenzierende Flexionsformen sind: Dual, Vokativ, Medium, Aorist, Optativ. Die griechische Sprache besitzt deshalb eine Vielzahl syntaktischer Möglichkeiten (z. B. zum Ausdruck von Bedingungsverhältnissen), die zusammen mit den zahlreichen Partikeln einen nuancierten Stil ermöglichen. - Bereits zur Zeit des Eindringens der griechischen Stämme von Norden her nach Griechenland (in der 1. Hälfte des 2. Jahrtausend v. Chr.) bestanden dialektale Verschiedenheiten. Man unterscheidet lokale (inschriftlich bezeugte) und literarische Dialekte. Die lokalen Dialekte gliedern sich in 1) Ionisch-Attisch, schon früh geschieden in das Ionische auf den Ägäischen Inseln, in Kleinasien sowie in einigen Kolonien und in das Attische als Mundart Attikas, 2) Arkadisch-Kyprisch, 3) Äolisch (Kleinasiatisch-Äolisch, Thessalisch, Böotisch), 4) Westgriechisch: a) Nordwestgriechisch, b) Dorisch, besonders als Sprache von Sparta (Lakonisch), der Insel Kreta sowie der Kolonien auf Sizilien und in Süditalien. Ursprünglich zusammenhängende Dialekte wie das Ionisch-Attische, das (mit dem Mykenischen verwandte) Arkadisch-Kyprische und das Äolische nahmen seit dem Eindringen der Dorer (um 1200 v. Chr.) räumlich getrennte Einzelentwicklungen. - In der Literatur findet sich bei Homer Ionisch mit starken äolischen Beimischungen, Sappho und Alkaios dichteten in äolischem Dialekt, die Elegie- und die Jambendichtung ist überwiegend ionisch, die Chorlyrik bediente sich ursprünglich des Dorischen, die Tragödien sind attisch verfasst. In der Prosa schrieben Hekataios, Herodot und Ärzte wie Hippokrates Ionisch, doch erlangte der attische Dialekt die größte Bedeutung, da Reden und Schriften im gesamten griechischen Bereich in dieser Sprachvariante verfasst wurden (griechische Literatur). Ihre weiteste Verbreitung erfuhr die griechische Sprache durch die Eroberungszüge Alexanders des Großen Abgesehen vom zusammenhängenden griechischen Siedlungsgebiet auf dem griechischen Festland, den Inseln und im Westen Kleinasiens sprach man Griechisch in Städten mit nichtgriechischem Hinterland, im Osten bis an die Grenzen Indiens, im Süden in Ägypten, im Westen in Südspanien (Málaga), im Norden auf der Krim. - Die griechische Sprache der hellenistischen Zeit, die Koine (gemeinsame Sprache), war im Grundbestand attisch, aber besonders durch das Ionische verändert. Sie findet sich auf Papyri, beeinflusste aber auch die Literatur (Neues Testament). Zur byzantinisch-neugriechischen Aussprache führten (zunächst einzelne) Wandlungen im Lautbestand hin (z. B. der Itazismus). Bestrebungen, wieder die reine attische Literatursprache zu verwenden, fanden (seit der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr.) ihren Ausdruck im Attizismus. Von den griechischen Städten Süditaliens her waren seit frühester Zeit griechische Wörter ins Lateinische eingedrungen (griechisch mechane, lateinisch machina, lateinische Sprache). Seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. öffneten sich die Römer der griechischen Bildung. Die ersten römischen Historiker schrieben in griechischer Sprache, die durch mehrere Jahrhunderte hindurch von den gebildeten Römern beherrscht wurde. In den griechischen Kolonien des Westens, z. B. in Massalia (Marseille), hielt sich die griechische Sprache bis in die römische Kaiserzeit. Die Sprache der christlichen Gemeinden, nicht nur in Rom (Römerbrief des Apostels Paulus), sondern auch in anderen westlichen Großstädten wie Lugdunum (Lyon), war bis ins 2. Jahrhundert n. Chr. Griechisch. - Die Reichsteilung (395 n. Chr.) hatte auch die kulturelle Abtrennung des griechischen Ostens zur Folge. In der griechischen Sprache der byzantinischen Zeit, dem Mittelgriechischen, entstand die byzantinische Literatur (byzantinische Kultur). Die Gebietsverluste des Oströmischen Reiches in byzantinischer Zeit führten einerseits zur Zurückdrängung der griechischen Sprache in weiten Gebieten (z. B. in Ägypten), andererseits ging durch die Mission der orthodoxen Kirche viel griechischer Lehngut in die Sprachen der Süd- und Ost-Slawen ein. In den westlichen Ländern, Süditalien ausgenommen, hatte die griechische Sprache im 6. Jahrhundert kaum noch Geltung. Nach dem Fall von Konstantinopel (1453) wurde die griechische Sprache auf das heutige Griechenland samt Inseln sowie Teile von Kleinasien beschränkt (neugriechische Sprache, neugriechische Literatur).Nachdem Petrarca (14. Jahrhundert) die Humanisten für das Griechische begeistert hatte, begann man im Abendland, die griechische Sprache zu studieren. M. Chrysoloras, Guarino von Verona und T. Gaza waren bedeutende Lehrer der griechischen Sprache; Kardinal Bessarion förderte die griechischen Studien. Griechische Grammatiken verfassten K. Laskaris (1476) und D. Chalkokondyles (1493). Die erste in Deutschland geschriebene griechische Sprachlehre erschien 1512 von G. Simler; sie wurde verdrängt von den »Institutiones Graecae grammaticae« des P. Melanchthon (1518). In Frankreich begründete G. Budaeus mit den »Commentarii linguae Graecae« (1529) die griechischen Studien. Bedeutend wurde auch der »Thesaurus Graecae linguae« (1572) von H. Estienne. Seit dem Humanismus und besonders seit dem Neuhumanismus gehört die griechische Sprache als fester Bestandteil zum altsprachlichen Unterricht an Gymnasien.A. Thumb: Hb. der griech. Dialekte, 2 Bde. (21932-59);Hb. der Altertumswiss., gegr. v. Iwan von Müller, Abt. 2, 1: E. Schwyzer: Griech. Gramm., 4 Bde. (1-51960-77, z. T. Nachdr. 1980);G. Rohlfs: Lexicon Graecanicum Italiae inferioris (21964);P. Chantraine: Dictionnaire étymologique de la langue grecque, 5 Bde. (Paris 1968-80);H. G. Liddell: A Greek-English lexicon, 2 Bde. (Oxford 1-91968-73);A. Bartonek: Greek dialects in the second millennium B. C., in: Eirene, Jg. 9 (Prag 1971);H. Frisk: Griech. etymolog. Wb., 3 Bde. (21973-79);R. Renehan: Greek lexicographical notes. A critical supplement to the Greek-English lexicon of Liddell-Scott-Jones, 2 Bde. (Göttingen 1975-82);H. Rix: Histor. Gramm. des Griech. Laut- u. Formenlehre (1976);Rüdiger Schmitt: Einf. in die griech. Dialekte (1977);Lex. des frühgriech. Epos, begr. v. B. Snell, auf mehrere Bde. ber. (1979 ff.);W. Bauer: Griechisch-dt. Wb. zu den Schrr. des N. T. u. der übrigen urchristl. Lit. (Neuausg. 1983);L. R. Palmer: Die griech. Sprache. Grundzüge der Sprachgesch. u. der historisch-vergleichenden Gramm. (a. d. Engl., Innsbruck 1986);W. S. Allen: Vox Graeca. A guide to the pronunciation of classical Greek (Cambridge 31987).Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:Koine: Die gemeinsame Sprache als Phänomen des Hellenismus
Universal-Lexikon. 2012.